Leadership & Karriere Erde an Weltall: Wie man Ahnungslose mit einem simplen Trick bei komplizierten Themen abholt

Erde an Weltall: Wie man Ahnungslose mit einem simplen Trick bei komplizierten Themen abholt

Wie oft hattest du bei Meetings schon das Gefühl mit Schimpansen zu reden? Im Business-Alltag ein Standardfall: Ingenieure müssen sich vor Managern erklären, Manager vor Vorständen, Vorstände vor Aktionären. Oft hat die Runde keine Ahnung, wovon du eigentlich redest – geschweige denn von deinen Problemen. Eine treffende Analogie kann die Welten zusammenführen. Ein Professor macht’s vor.

Fachexperten haben’s schwer: Ständig müssen sie Herausforderungen stemmen, von denen ihr Manager-Vorgesetzter nicht den blassesten Schimmer hat. Solange alles gut läuft, funktioniert die friedliche Koexistenz in der Regel ganz gut. Doch wenn es irgendwo hakt, wenn es etwa ein Material- oder Zeit- oder Budgetproblem gibt, dann muss sich der Fachexperte dem Manager erklären. Und dabei prallen regelmäßig Welten aufeinander.

Wie macht man einem völlig Ahnungslosen klar, dass die hauseigene Vorgabe XY dem Standard AB widerspricht, der gerade von der EU verabschiedet wurde, was in zwei Jahren zu ernsten Problemen führen wird, weshalb man lieber jetzt schon auf den neuen Veredelungsprozess umsteigen sollte, der zwar für den Moment Mehrkosten verursacht, die aber sinnvoll investiert wären … wenn der Vorgesetzte doch nicht einmal versteht, wo überhaupt das Problem liegt? Erde an Weltall, Erde an Weltall! Im Zweifel wird der Manager immer den Kopf schütteln: Vorschlag abgelehnt. Und der Ingenieur ärgert sich, denn er weiß ganz genau: Würde der Andere das Problem verstehen, würde er garantiert anders entscheiden. Verständnisprobleme machen vielen Fachexperten das Leben schwer. Vielen Managern wiederum geht es vor dem Vorstand genauso, und vielen Vorständen vor den Investoren nicht anders.

Wie machst du dich verständlich gegenüber Menschen, die keine Ahnung davon haben, was du den ganzen Tag so tust?
Ausgerechnet ein Professor hat die Antwort: Mit einer Analogie! Friedemann Schrenk von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist Paläoanthropologe. Er ist es also gewöhnt, dass Menschen nicht verstehen, was er tut. Für eine Fernsehsendung stand er vor der Herausforderung, in 13 Minuten einem vollkommen ahnungslosen Publikum nicht nur seinen Job erklären zu müssen, sondern auch 6 Millionen Jahre menschliche Evolution. Hat er übrigens geschafft – ich habe ihn tatsächlich verstanden, und mehr noch: Ich war inspiriert.

Sein genialster Schachzug in diesem Kurzvortrag war die Analogie, mit der er das zentrale Problem seiner Disziplin veranschaulichte: Materialmangel. Aus 300.000 Generationen Menschheitsgeschichte müssen Paläoanthropologen eine sinnvolle Story bauen, die möglichst auch noch stimmt. Dafür stehen ihnen ausschließlich Zähne und Knochen zur Verfügung – und davon reichlich wenig. Eine geringe vierstellige Zahl für sechs Millionen Jahre, rechnete der Professor vor. Das Maximum aus fast nichts herausholen ist also das Prinzip. Und das stößt hier und da nun mal an seine Grenzen. Ziemlich genau die Art von Problem, die Ingenieure und andere Fachexperten ihren ahnungslosen Vorgesetzten erklären müssen, oder?

Schrenk löst es kongenial mit einer Analogie, die auch der Bildungsfernste im Publikum versteht: „Wir haben statistisch gesehen etwa alle 200 Generationen ein Fragment. Das ist ungefähr so, als wenn wir versuchen würden, die Geschichte Mitteleuropas zu rekonstruieren anhand eines römischen Weinkrugs und einer Coca-Cola-Dose.“ Das Publikum lacht an dieser Stelle. Und wer lacht, hat verstanden. Wenn du deinem Vorgesetzten – oder deinen Eltern – also das nächste Mal zu erklären versuchst, wo das Problem liegt: Pack es in eine treffende Analogie, die dein Gegenüber kennt und versteht. Idealerweise eine, die ihn oder sie auch noch zum Lachen oder Weinen bringt, also: betrifft. Denn wer verstanden hat, trifft andere Entscheidungen.

Übrigens: Paläoanthropologen haben noch keinerlei Nachweise dafür gefunden, dass Fachexperten und Manager auf unterschiedlichen Evolutionsstufen stehen. Vielleicht einfach nur deshalb, weil Sprache nicht fossilisiert, wie Professor Schrenk betont hat. Aber es hilft ja nichts: Wir müssen das irgendwie miteinander hinkriegen. Analogien können die Welten vereinen. Hab Nachsicht mit deinem Chef: Evolutionär betrachtet sitzen wir alle im selben Boot.

 

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