Leadership & Karriere PwC: So wird künstliche Intelligenz die Consulting-Branche verändern

PwC: So wird künstliche Intelligenz die Consulting-Branche verändern

Algorithmen statt Anzugträger: PwC-Partner Martin Scholich erklärt, wie künstliche Intelligenz das Consulting verändern wird.

Herr Scholich, PwC investiert bis 2020 allein in Deutschland 500 Mio. Euro, ein Großteil davon fließt in die eigene digitale Transformation, auch in künstliche Intelligenz. Was steht hinter diesem radikalen Strategiewechsel?

Unsere Kunden hinterfragen das Thema Mehrwert in der Beratung im Moment brutal. Denn sie wissen, dass sie eine Menge Daten haben. Und sie fragen uns: „Was kann ich denn damit machen?“ Die Antwort können die Berater nicht mehr allein geben, die Datenmengen sind einfach zu groß. Da bietet künstliche Intelligenz für uns eine Riesenchance.

Wie setzen Sie künstliche Intelligenz in der Beratung ein?
Es gibt viele Möglichkeiten! Ein Beispiel aus der Autoindustrie: Wir wurden beauftragt, mithilfe von KI die Qualität der Vorhersagen im Controlling zu überprüfen. Üblicherweise läuft es ja so: Im Herbst ist Planungszeit in großen Konzernen. Da sprechen Heerscharen von Controllern mit den Businessleuten, um die Jahresplanung aufzubauen. Wir haben das für den Kunden mal nachgebildet, um auf Basis älterer Berechnungen zu ermitteln, welche Einflussfaktoren für die Businessplanung wichtig sind. Dann haben wir einen Algorithmus gebaut, der vorhersagt, wie die Planung für das nächste Jahr aussehen könnte, ohne dass wir die Controller befragen, nur mit dem Algorithmus.

Und was kam dabei raus?

Dass die Planung der Maschine 60 Prozent näher an den Ist-Ergebnissen lag als die mit subjektiven Eindrücken erstellte Planung der Controller. Und jetzt kommt der wichtige Punkt: Man kann unseren Algorithmus täglich laufen lassen. Finanzplanung findet normalerweise einmal im Jahr statt. Durch Controllingtools, die mit KI und Machine-Learning angereichert sind, hat man auf einmal ein Realtime-Update. Das zeigt, welches Potenzial in diesen Tools steckt: Ändert man die Betriebsplanung, passt der Algorithmus die Vorhersage an. Es wird viel einfacher, auf kurzfristige Entwicklungen zu reagieren.

Was ändert künstliche Intelligenz bei PwC selbst?

Künstliche Intelligenz wird unsere Branche signifikant verändern. Viele Tätigkeiten, die heute noch gut ausgebildete Hochschulabsolventen manuell erledigen, werden in wenigen Jahren – nicht in fünf, sondern in zwei oder drei – zwar nicht von Maschinen übernommen, aber die Maschinen werden Menschen bei diesen Tätigkeiten unterstützen. Die Effizienz wird dadurch dramatisch steigen. So werden Ressourcen für andere wichtige Aufgaben geschaffen.

Digitalisierung bedeutet, auszuprobieren und auch mal zu scheitern. Wie passt das zum Perfektionismus des Consultings?

Wir kommen aus einem konservativen Umfeld. Berater versuchen, für ihre Kunden Risiken zu managen. Aus so einem Kontext heraus unseren Mitarbeitern zu sagen: „Mensch, jetzt seid mal mutig, seid mal innovativ, geht mal über die Grenzen des Bestehenden hinaus“, das ist tatsächlich eine Herausforderung. Auch wir brauchen eine Kultur des Scheiterns. Darum haben wir zum Beispiel Fuck-up-Nights institutionalisiert. Und wir stellen neben klassischen Beratern immer mehr Leute mit anderen Profilen ein, wie etwa Data-Scientists und Programmierer.

Wie reagieren die Berater darauf?

Ach, wir haben immer weniger typische Berater. Wir sind ein junges Unternehmen. Obwohl weltweit über 230 000 Mitarbeiter für PwC arbeiten, liegt unser Altersdurchschnitt in vielen Ländern deutlich unter 30, in Deutschland bei Anfang 30. Unsere Berater sind frisch, einige haben in Startups gearbeitet. Bei ihnen überwiegt die Neugier.

Will PwC – wie so viele Konzerne – ein bisschen Startup werden?

Ich glaube, als Startup bewegt man sich schneller. Weil man weiß: Wenn ich das jetzt nicht gut mache, habe ich in neun Monaten bei der nächsten Finanzierungsrunde ein großes Problem. Die Beratungsbranche kann jedoch seit vielen Jahren sehr gesunde Wachstumsraten von fünf, acht oder zwölf Prozent vorweisen, weil Trends rechtzeitig erkannt wurden. Da ist der Raum für umfassende Veränderungen, wie sie manche Startups machen, nicht so groß. Ein guter Teil des Beratungsgeschäfts läuft ja auch heute noch traditionell ab. Obwohl ich sagen muss: Die Radikalität der Veränderung ist schon beeindruckend.

Woran machen Sie das fest?

Wenn man noch einmal das Thema KI nimmt: Wir arbeiten mit der Fraunhofer-Gesellschaft zusammen, und ich weiß noch, wie der zuständige Kollege vor einigen Monaten gesagt hat: „Ich forsche seit 20 Jahren an KI, und wir fangen jetzt langsam an, mit Unternehmen wirklich darüber zu reden.“ Seitdem sind gerade einmal 18 Monate vergangen, aber man findet das Thema KI heute jeden Tag in der Zeitung.

Ihre Prognose: Wie steht es in 18 Monaten um Ihre Branche?

Wir gehen davon aus, dass Technologie die Beratungsbranche weiter dramatisch verändert. Früher wurden Transformationen wesentlich durch Strategiewechsel ausgelöst, heute meist durch Möglichkeiten, die eine neue Technologie bietet. Das zwingt uns zu einem kompletten Umdenken. Zumindest das wird in 18 Monaten noch genauso sein wie heute.

Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe 05/2017. Titelgeschichte: Gestartet als durchgeknalltes Kondom-Startup berät Einhorn Products jetzt milliardenschwere Konzerne. Mehr Infos gibt es hier.

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