Leadership & Karriere Künstliche Intelligenz: Mein nächster bester Feind

Künstliche Intelligenz: Mein nächster bester Feind

Artificial Intelligence (AI) dringt unaufhaltbar in unseren Alltag und könnte laut Vorhersage des amerikanischen Zukunftsforschers Thomas Frey bis zum Jahr 2030 bis zu zwei Milliarden Arbeitsplätze ersetzen. Was bedeutet das für mich als Designer und meine Branche?

Ein Gastbeitrag von Andreas Laeufer

Ich stelle mir vor, ich bin ein Mönch, so um 1442 n. Chr. und perfektioniere in jeder freien Minute meinen Pinselstrich. Ich arbeite zudem an diesem Killer-Projekt, der ‚Bibel’, mit dem Auftrag ein paar nette Rubriken hinzuzufügen und den Content ‚aufzuhübschen’. Plötzlich platzt mein Kumpel Friedrich ins Zimmer und schreit: „We’re fucked bro! Ein Typ namens Gutenberg macht uns mit seiner Druckerpresse arbeitslos!“

Fast forward: 600 Jahre später und die Designer um mich herum agieren wie gestresste Mönche; Gutenbergs Hexenwerk nennt sich heute Artificial Intelligence.

Alles, was automatisiert werden kann, wird automatisiert

Seit Beginn der industriellen Revolution ersetzt neue Technologie menschliche Jobs. Aber mit der Kreation „intelligenter“ Maschinen eskaliert die Geschwindigkeit dieses Prozesses dramatisch. Kino- und Serienhits wie Blade Runner, Ex Machina oder Black Mirror dramatisieren die Angst vor künstlicher Intelligenz. Und natürlich suchen Firmen vor allem im Technologie-Sektor konstant nach Möglichkeiten, ihre Mitarbeiterzahl und Arbeitsprozesse zu ‚streamlinen’. Die dadurch entstandene Sorge um den Arbeitsplatzverlust wird in Derek Thompsons Artikel „A world without work“ an den Beispielen von AT&T und Google verdeutlicht: Im Jahre 1964 war Amerikas wertvollstes Unternehmen AT&T mit einem Wert von 267 Milliarden US-Dollar beziffert und beschäftigte 758.611 Menschen. Heute hat Google einen Wert von 370 Milliarden US-Dollar, beschäftigt aber nur rund 55.000 Mitarbeiter – weniger als ein Zehntel der Belegschaft von AT&T in seiner Blütezeit. Kurz gesagt: Bessere Software und Algorithmen verhelfen Google zu mehr Profit und das mit deutlich weniger Mitarbeitern. Brauchen wir deshalb eine neue digitale Inquisition, oder steuern wir künftig ein Heer von ‚Blade Runnern’?

Das Ende von Computing. Der Anfang von mir.


Die Anzahl der digitalen Geräte, die unsere regelmäßige Zuwendung verlangen, steigt rasant. Sind es im Moment hauptsächlich drei – nämlich Smartphone, Tablet und Computer –, die vor allem durch Social Media-Apps andauernd unser Interesse suchen, verbindet uns das Internet of Things mit einer ungebändigten Anzahl an Devices (bis zum Jahr 2025 sollen bis zu 100 Milliarden Geräte vernetzt sein). Ich stelle mir gerade vor, wie meine 15 Devices (Kühlschrank, Licht- und Alarmsystem, Kaffeemaschine, Speaker, TV, E-Bike, Auto etc.) konstant meine Aufmerksamkeit suchen und mich über den Tag hinweg nerven. Ping – die Milch ist alle, Ping – im Bad brennt Licht, Ping – Wasser nachfüllen, Ping – Reichweite unter zwei Kilometer……und das Schlimmste: Die einzige Möglichkeit diese regelmäßigen Unterbrechungen zu beenden ist, mit jedem einzelnen Device zu interagieren. Und jetzt stelle ich mir vor, dass ich in fünf Jahren 100 Geräte besitze, die mit mir kommunizieren möchten… Furchtbar!

Die Erlösung: AI – im speziellen Algorithmen mit sogenannter Context Awareness. Das ist die Fähigkeit meiner Geräte, meine Bedürfnisse zu „fühlen“, um dann richtig zu reagieren, und zwar abhängig von der Situation, in der ich mich befinde. AI wird uns also helfen, aus den Fluten von Informationen, die uns minütlich ‚anpingen’, sinnvolle Schlüsse zu ziehen, für jeden von uns ganz persönlich und situativ berechnet. Probleme und Wünsche werden erahnt und Lösungen in unseren Tagesablauf ganz natürlich eingewoben, ohne störend zu wirken. Ich rede dabei nicht von meinem selbstfahrenden Auto, das vorab weiß, welches mein Fahrtziel sein wird, oder der Kaffeemaschine, die zwei Minuten vor dem Aufstehen den ‚FlatWhite’ aufbrüht. Ich rede davon, dass unser Leben endlich wieder „unplugged“ sein kann. Wir also keine Abhängigkeit von verschiedenen Devices spüren, sondern sich unser Leben befreit anfühlt, unterstützt von Technologie. Das Ganze nennt man jetzt ubiquitous computing. Und genau dieses allgegenwärtige Computing ist der Kern der eigentlichen digitalen Revolution: Wir nutzen AI, um Computing verschwinden zu lassen, auf eine Art und Weise, in der ich mich um Technik nicht mehr kümmern muss.

„Okay, Alexa, gestalte meine Website“

Und genau hierin liegt auch die Erlösung und Zukunft für uns Designer. Meine Mitarbeiter und ich haben uns in den letzten Jahren mit Technologie, Apps und neuer Software auseinandersetzen müssen, um – so glauben wir – Schritt halten zu können. Wir lernen klassische Adobe Werkzeuge, die Anwendung von Motion-Graphics- oder 3D-Software sowie den einen oder anderen HTML5-Code und entwickeln uns dabei zu multidisziplinären Gestaltungstechnikern. Gleichzeitig vernachlässigen wir unsere eigentliche Design-Aufgabe: Konzepte zu entwickeln, die zu allererst Emotionen auslösen und dann Informationen gliedern. AI wird dafür sorgen, dass wir uns um die Technik nicht mehr kümmern müssen und Design-Prozesse drastisch beeinflussen. Meine Rolle als Designer definiert sich dann eher im richtigen Selektieren und Fine-tunen als im Selbermachen. Unsere Kunst wird sich darin erklären, die von Maschinen vorgeschlagenen Lösungen richtig zu selektieren und in relevante Bahnen zu lenken. Die Designer sind dabei Dirigenten und keine Musiker mehr. Man dirigiert klassisch mit Taktstock wie am Beispiel der Plattform THE GRID. Oder zukünftig mit Spracheingabe, wie Chris Grant vorführt, Gewinner des 2016 TechCrunch Hackathon, der Amazon’s „Alexa“ so umprogrammierte, dass diese mit Stimmeingabe designed und direkt auf Kundenfeedback reagiert.

Mit AI zu Hartz IV?

Und was ist mit der Angst, dass Algorithmen unseren Design-Job übernehmen? Ja, es wird zweifellos Verluste auf dem Weg geben, aber es ist lange her, seitdem wir in steinernen Klöstern gesessen haben und biblische Verse auf feines Pergament pinselten. Mit jeder technologischen Entwicklung hat sich die Rolle des Designers verändert. Es ist absolut plausibel, dass einige der nächsten Fähigkeiten, die wir annehmen müssen, maschinelle Intelligenz betreffen und im Gestaltungsprozess nicht mehr alleine agieren. Bis aber Maschinen das leisten, was uns Menschen so einzigartig macht, nämlich emotionale Intelligenz, sage ich ganz gechillt: „Okay, Alexa: Gestalte mir die Zukunft!“

 

Über den Autor

Andreas Laeufer gehört zu den einflussreichsten Designern und Art Direktoren der letzten zwei Jahrzehnte. Er arbeitete mehrere Jahre als Creative Director für Wolfgang Joop und war Mit-Herausgeber des Kult-Magazins TANK in London.

 

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