Female Entrepreneurship Erst Pokerqueen, dann Knast: Jessica Chastain über ihre Rolle als Molly Bloom

Erst Pokerqueen, dann Knast: Jessica Chastain über ihre Rolle als Molly Bloom

Stichwort Ehrlichkeit: Sie sind bekannt dafür, in Interviews und auf Twitter kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Wie furchtlos sind Sie?

Ich bin gar nicht furchtlos, und auch alles andere als frei von Schwäche. Ich fühle mich manchmal eher ziemlich verletzlich und zerbrechlich. Trotzdem bin ich eine starke Frau, so wie meiner Meinung nach jede Frau stark ist. Und ich bin in gewissem Sinne vielleicht eine Kämpferin, einfach weil ich ehrlich bin. Ich habe tatsächlich keine Angst, meine Meinung zu sagen und Missstände zu benennen.

Nicht zuletzt im Kontext des Weinstein-Skandals und dessen Folgen …

Absolut, wobei wir alles, was seit ein paar Monaten in Hollywood passiert, nicht unter dem Schlagwort Weinstein-Skandal zusammenfassen sollten. Die Sache ist viel größer als dieser Mann. Und er selbst ist nicht die Wurzel des Übels, sondern lediglich ein Symptom dessen, was über lange Zeit schon schieflief. Nicht nur in meiner Branche, sondern ganz allgemein in unserer Gesellschaft. Wenn Macht zu lange zu ungehindert und unkontrolliert wuchern darf, führt das zu Problemen. Das zeigt ja auch die #MeToo-Bewegung.

Sie haben sich sehr früh und lautstark in diese Debatten eingeschaltet. Hatten Sie nie Sorge, das könnte Konsequenzen für Ihre Karriere haben?

Doch, mir war schon auch mulmig. Der erste große Enthüllungsbericht über Weinstein ist, wenn ich mich richtig erinnere, am 5. Oktober erschienen. Ich habe ihn gleich retweetet und mich täglich zu der Sache öffentlich geäußert. Noch bevor er oder irgendwelche anderen Leute ihre Jobs verloren und so. Diese Männer waren anfangs ja alle noch in ihren Machtpositionen, und natürlich konnte ich nicht wissen, ob sie mir schaden würden oder nicht. Aber darüber habe ich mich hinweggesetzt, inspiriert von den Frauen, die tatsächlich mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit gegangen sind. Deren Mut war ja noch unendlich viel größer als meiner. Wie hätte ich da ruhig bleiben und so tun können, als hätte nicht auch ich immer wieder Gerüchte gehört und verstanden, dass es da ein System des Missbrauchs gab, das sich unabhängig von Einzelpersonen oder auch nur einer einzelnen Branche etabliert hatte.

Sind Sie denn optimistisch, dass sich nun wirklich etwas verändert?

Oh ja, das bin ich! Das Wundervolle an der Menschheit ist doch, dass sie sich weiterentwickelt. Und gerade ist ein richtiger Veränderungsprozess im Gange. Natürlich liegt es an uns, das auch wirklich zuzulassen. Aber im Moment ist auf jeden Fall Bewegung drin in unserer Gesellschaft – und das finde ich als jemand, der Stagnation für einen großen Fehler hält, schon mal ungemein wichtig.

Auch jenseits von sexueller Nötigung müssen Frauen in der Filmindustrie aber viel härter kämpfen als männliche Kollegen um Erfolg zu haben, nicht wahr?

Für mich selbst gilt das mittlerweile nicht mehr wirklich, denn ich bin in einer sehr komfortablen Position in meiner Karriere angekommen. Aber für fast alle Regisseurinnen. Selbst nach einem gefeierten ersten Film müssen sie kämpfen, einen zweiten, vielleicht etwas größeren drehen zu dürfen. Männern dagegen wird nach einem ersten kleinen Independentfilm nicht selten gleich die Regie eines neuen „Star Wars“-Films angeboten. Wie kann das sein? Dass Frauen hinter der Kamera doppelt so hart arbeiten und sich immer wieder aufs Neue beweisen müssen, ist jedenfalls ein bedauerlicher Fakt.

Haben Sie Ihre eigene Produktionsfirma Freckle Films 2016 auch deshalb gegründet, damit sich daran endlich etwas ändert?

Genau. Ziel der Firma ist es, die Filmindustrie ein wenig aufzurütteln und zu verändern. Ich will meinen Teil zu mehr Diversität in unserer Branche beitragen und ein paar zusätzliche Optionen für Frauen hinter der Kamera schaffen, ob nun als Drehbuchautorinnen oder Regisseurinnen. Ich bin der festen Überzeugung, dass nur mehr Frauen auf solchen Positionen dafür sorgen werden, dass wir auch auf der Leinwand andere Frauen sehen. Solche, die uns überraschen und nicht bloß alte Klischees wiederholen.

BP_CoverDer Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe 01/2018. Titelgeschichte: MCFit-Gründer Rainer Schaller folgt nur einem Prinzip: seinem Instinkt. Mehr Infos gibt es hier.

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