Life & Style Marry, Fuck or Kill: Über die seltsame Welt der Finanzcoaches

Marry, Fuck or Kill: Über die seltsame Welt der Finanzcoaches

Geiz als Quell für das Plus an Lebensfreude. So geht der Pitch von Geldcoach Manuela. Doch Kolumnistin Theresa Lachner rechnet lieber in Flat Whites.

Für mich nur ein heißes Leitungswasser, bitte!“ Die Frau mit den ungewaschenen Haaren am Nebentisch scheint meinen ungläubigen Blick zu bemerken, als sie aus einem Schlampermäppchen, das verdächtig nach dem Sparkassen-Knax-Klub-Jahrgang 1992 aussieht, ihren eigenen Teebeutel zieht.

Anklagend zeigt sie auf meine Tasse. „Hast du dir eigentlich mal ausgerechnet, was dich dein fancy Hipsterkaffee da im Jahr kostet?“ Bitch, don’t touch my Flat White. 3,40 Euro mal … ja, jeden Tag. Ich wäre wegen Mathe fast durchs Abitur gefallen, aber wohne, wie von meinem Mathelehrer prophezeit, inzwischen doch gerne unter der Brücke – vorausgesetzt, sie steht bei meinem Lieblingshotel in Bangkok.

Die Muse will teuren Fairtradescheiß

Ach, Bangkok könnte ich auch mal wieder, wer trinkt eigentlich all den Käsetee, wenn ich nicht da bin? Das würde sich so aufs Jahr gerechnet eigentlich lohnen, ist ja billiger als der Flat White. Also noch mal, 3,40 Euro mal drei, fünf, sechs, nein, halt, stopp, andersrum, eins gemerkt, wo war ich? „Rund 1 300 Euro!“, triumphiert die Teebeutelfrau jetzt. Ups, sogar zwei Bangkokflüge, dafür brauche ich nicht mal meine Finger zum Abzählen, solche Summen funktionieren im Kopf.

Na toll, und jetzt? Ohne Kaffee werde ich diese Kolumne nie zu Ende schreiben können, und meine Muse ist nun mal eine Diva und reagiert nur auf den teuren Fairtradescheiß.

Design aus der Knax-Klub-Ära

„Manuelas Money Magic“ steht auf der Recyclingpapier-Visitenkarte, die mir die Frau über zwei Tische reicht. Einfarbdruck unmattiert, ab 0,08 Cent pro Karte bei 50 000 Stück. Dem Design nach stammt sie aus Manuelas Knax-Klub-Ära.

„Früher war ich genau wie du!“, ruft Manuela jetzt fröhlich. „Eine ausgebrannte Medientussi, ständig auf der Jagd nach Konsumkicks. Mein Kleiderschrank war voll mit Markenklamotten, doch innerlich war ich leer.“ Gut, klingt jetzt insgesamt auch nicht nur schlecht, weil immerhin geil angezogen, denke ich mir – aber setze mal lieber mein Empathie-Mimikry-Gesicht auf, lasse Manuela sich in Rage reden, trinke Flat White und denke an Bangkok.

Marry: „Mit der Weltwirtschaftskrise kam dann das Umdenken. Ich hab mir gesagt: Raus aus der Tretmühle! Es geht hier verdammt noch mal um deine Lebensenergie! All die Kohle, die du für Take-out, Therapie, das teure Fitnessstudio verpulverst, musst du wieder reinarbeiten!“ Stimmt: Das Word-Dokument blinkt mich vorwurfsvoll an. Wo kann ich mich für dein sauteures Umgang-mit-Geld-Coaching anmelden, Manuela?

Fuck: „Wie, du hast noch nicht in Krypto investiert? Aber Blockchain ist doch ganz einfach die Zukunft! In diesen instabilen Zeiten können deine Euros morgen so wertlos sein wie Toilettenpapier. Zum Glück entwickle ich auch dafür gerade einen Onlinekurs.“

Kill: Ach, Manuela. Wenn all meine durch deine Tipps gesparte Lebenszeit dafür draufgehen soll, mir dein Gewäsch anzuhören, und es noch nicht mal vernünftigen Kaffee dazu gibt, dezentralisiere ich meine Kolumnistenhonorare doch lieber weiterhin in Flugtickets.

Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe 02/2018. Darin porträtieren wir Lea-Sophie Cramer, Gründerin von Amorelie. Nach der Übernahme durch ProSiebenSat.1 soll sie die Konzerntochter zu einer Lifestylemarke ausbauen. Außerdem: Quiz-App HQ Trivia, Schauspieler Bryan Cranston, DJ-Gott David Guetta und wie immer viele weitere Geschichten. Mehr Infos gibt es hier.

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